Anfang letzten Jahres bin ich gerade noch rechtzeitig aus Indien zurückgekehrt, bevor Mitte März alles dicht gemacht wurde, seitdem beherrscht uns nun die Pandemie. Für alle eine große Herausforderung, doch schnell wurde klar, dass die Erfahrungen für jeden anders waren und das es keine Faustregel gibt für den Umgang mit dem Virus und seinen Folgen.
Jeder musste Einschränkungen hinnehmen, sein Verhalten und seine Gewohnheiten ändern. Die Ablenkungen und Alltagsfluchten beschränkten sich plötzlich auf Netflix und einen Ausflug zum nahegelegenen See. Persönliche Kontakte wurden durch Zoom ersetzt, aus einer geänderten Routine wurden neue Rituale, vieles war neu, alles war anders, manches toll, einiges weniger. Vieler Orts kehrte Ruhe ein. Eine Stille, die so manch einer auch ersteinmal lernen musste auszuhalten.
Man war mehr denn je auf sich gestellt. Diejenigen, die nicht 24/7 von der Familie umgeben waren, könnten auch sagen einsam. Aber heisst Einsamkeit, letztlich nichts anderes als mit sich sein? Ich dachte immer das könnte ich schon ganz gut aber nach einem nicht zu enden scheinenden Winter im Lockdown hatte ich genug davon und als ich mich Anfang April nach einem Jahr wieder auf den Weg mache um für einen Monat in der Dominikanischen Republik einen PopUp Store zu eröffnen, ist das eine Flucht nach vorn. Ein Versuch der Enge zu entfliehen, dem Gefühl der fehlenden Freiheit und der fehlenden Möglichkeiten. Eine Chance, die sich mir so wahrscheinlich nie wieder bietet, so denke ich aber zugleich eben auch ein Risiko. Die Fallzahlen dort sind niedrig, alles findet unter freiem Himmel statt, aber die Menschen sind auch unvorsichtiger und undisziplinierter als in Deutschland. Das was uns in fernen Ländern so gut gefällt, die Lässigkeit, die Kontaktfreudigkeit, Nähe und Herzlichkeit birgt gleichzeitig auch die Gefahr, sich allzu sehr in Sicherheit zu wiegen. Das Virus ist unsichtbar und so können wir schwer einschätzen, was sich neben der guten Stimmung sonst noch überträgt.
Ein paar Tage und ein paar Pisco Sour später ist das fast vergessen, oder sagen wir wohl besser verdrängt. Zu schön fühlt sich die zurückgewonnene Freiheit an. Die Nase im Wind und endlich wieder in guter Gesellschaft. Ich geniesse die sonnigen Tage und lauen Nächte, das bunte Treiben und mir wird klar, wie gut es mir tut wieder unter Menschen zu sein. Als meine Gastgeberin übers Wochenende nach New York fliegt, um sich impfen zu lassen, scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann es in Deutschland auch soweit ist, dass alles zur Normalität zurückkehrt. Wir verbringen die Zeit mit Freunden, essen von einem Teller und sind fast wieder so ausgelassen und unbeschwert wie in alten Zeiten... aber zu früh gefreut. Das Virus hat sich trotz Erstimpfung eingeschlichen und trotz größtmöglichem Abstand und aller Vorsichtmaßnahmen gelingt es mir letztlich nicht, mich nicht anzustecken. Ich fliege zwar noch mit einem negativen PCR Test nach Hause, doch spätestens nach drei Tagen Dauerschlaf und unerträglichen Kopf- und Gliederschmerzen wird klar, so einen Jetlag gibt es nicht... Alle Tests bestätigen meine Erkrankung mit Covid 19 und von da ab liege ich alleine zu Hause in totaler Isolation und lerne nun erstmals was es wirklich bedeutet nur mit sich zu sein. Mein Kontakt zur Außenwelt beschränkt sich auf ein paar whats app Nachrichten am Tag, soweit es die Kräfte überhaupt zulassen. Ansonsten ist die eigene Wohnungstür die Grenze. Küche und Bad scheinen Meilen entfernt vom Krankenbett. Das weit geöffnete Fenster, das Tor zur Welt. Nur langsam kehrt das Leben in die eigenen vier Wände zurück. Als ich am Tag 1 nach der Quarantäne wieder in mein Auto steige und zum Arzt fahre, fühlt sich das an, wie eine Befreiung. Jede Verabredung, jede Berührung, jeder Blickkontakt hat eine andere Intensität. Oft ist es mir danach auch ersteinmal zu viel, wieder unter Menschen zu sein.
Vieles fällt mir schwer, ich habe Schwierigkeiten mich zu konzentrieren, bin vergesslich und unsicher im Umgang mit Dingen, die mir vorher vertraut erschienen. Finde zu mancheinem keinen Zugang mehr. Aber auch hier hat sich wieder gezeigt, jede Krise ist auch eine Chance und auf jeden Fall bin ich einem Menschen seitdem noch näher gekommen und das bin ich selbst. Ich bin in Kontakt mit mir und meinem Körper, lausche in mich hinein und geniesse das alleins sein, wenn es still wird um mich herum... Fazit: Alleinsein muss nicht Einsamkeit bedeuten, es kann kontemplativ und heilsam sein. Bewusst gewählt, ist es ein Geschenk an uns selbst. Denn schließlich verbringen wir ja jede Sekunde unseres Lebens mit uns selbst, es lohnt sich also mit diesem einen Menschen gut klar zu kommen. Also sei gut zu Dir!
Und dennoch, wer das Gefühl des Abgeschnittenseins kennt, weiß wie wichtig der gegenseitige Austausch ist. Die Magie, einer Berührung und die Kraft gemeinsam unschlagbar zu sein. Das Wir Gefühl und die Geborgenheit, die erst durch eine Verbindung mit Anderen entsteht.
Also auf die Frage, ob ich es wieder machen würde? Ja! Auf jeden Fall, denn nichts geht über die gemeinsame Erfahrung und das Abenteuer, was passiert, wenn wir unsere Herzen öffnen für die Schönheit der Welt.